Weiter- und Fortbildungsabend der flade
«Pubertät bedeutet: Leben nach eigenen Massstäben zu gestalten, kompromisslos, unerschrocken, und Widerstand ist nicht erwünscht.» Mit diesen Worten eröffnete Dr. med. Josef Laimbacher, Chefarzt des Ostschweizer Kinderspitals, seinen Vortrag am 21. November im Musiksaal des Stiftsbezirks in St.Gallen. Nach dem Referat gab es Gelegenheit zur Diskussion der Thematik und Fragen aus dem Plenum. Hanspeter Trütsch, ehemaliger Bundeshausredaktor SRF, moderierte den Anlass.
«Die Pubertät ist nicht nur eine grosse Herausforderung für die Jugendlichen, sondern auch für das gesamte Umfeld», sagte Margrit Stadler, Schulratspräsidentin der flade bei der Begrüssung. In seinem Referat «Pubertät – Lust und Frust – Aspekte zur Pubertät als Start in die Lebensphase der Adoleszenz» gab Dr. med. Josef Laimbacher Antworten auf viele Fragen rund um dieses Thema. Der Schulrat der flade hatte Eltern, Lehrpersonen und weitere Interessierte zu der Abendveranstaltung eingeladen.
Freiheit mit vielen Facetten
Bekanntlich ist der Beginn des Jugendalters markiert durch das Eintreten der Geschlechtsreife. Die Dauer der Jugendphase sei abhängig von der Komplexität der Gesellschaft. «Die Abgrenzung zwischen Jugend und frühem Erwachsenenalter ist anhand von Rollenübergängen und Kriterien sozialer Reife markiert», führte der Chefarzt des Ostschweizer Kinderspitals aus. Jugendliche suchten Anschluss an Gleichaltrige, was eine der grössten Herausforderungen bedeute. «Doch, nur wer sich langsam von der Familie löst, schafft den Schritt in die Selbständigkeit.» Die Freiheit der Adoleszenz habe viele Facetten: «Kaum sind die Erziehungsberechtigten weg, beginnt die Party..., die Liebe sei eine Reifeprüfung, die viel Mut erfordere. Viele Jugendliche geraten in den Bann (Zwangsjacke) der digitalen Welt; ein Tag, eine Stunde ohne Smartphone sei undenkbar!»
Durchhalten und Loslassen
In der Pubertät fühlten sich viele Jugendliche manchmal auch einsam: «Keiner versteht mich», sei eine häufige Äusserung. «Stimmungsschwankungen und trübe Gedanken können die Heranwachsenden befallen. Der Übergang vom normalen Seelenschmerz zum behandlungs-bedürftigen Leiden ist fliessend», so Dr. med. Josef Laimbacher. Den Eltern riet er, durchzuhalten und loszulassen, «gerade auch wenn der Streit schon bei Kleinigkeiten eskaliert». Die Reifung des Gehirns der Jugendlichen spiele eine wichtige Rolle. Eine Verbesserung der Selbstkontrolle und der sozial kognitiven Leistungen trete erst nach der Pubertät ein.
Partizipativer Umgang
Im zweiten Teil seines Referates vertiefte Dr. med. Laimbacher spezifische Themen aus medizinischer Sicht. Zur Sprache kamen unter anderem: ADHS (Hyperaktivität), geschlechtsspezifische Störungen, Körperlichkeit, Transgender-Thematik, Risikoverhalten Adoleszenter wie Alkohol- und Drogenkosum, Mediensucht, Delinquenz, psychosomatische Symptome, darunter Essstörungen, Gesundheitsprobleme wie Depression, Suizid, Selbstverletzung und verschiedene andere Verhaltensstörungen. Weitere Themen waren Schulabsentismus, der Schlaf-Wachrhythmus bei Jugendlichen sowie Gesundheitsprobleme im Zusammenhang mit Sexualität. Den Eltern und Erziehenden gab Dr. med. Josef Laimbacher abschliessend vier Stichworte für ein gutes Gelingen in dem anspruchsvollen und herausfordernden Umgang mit den Jugendlichen mit auf den Weg: «zuhören, kommunizieren, sich verstehen, sich mögen».